Bundesregierung und Bundesländer planen eine Reform des Medizinstudiums. Der sogenannte Masterplan Medizinstudium 2020 (MM2020) sieht unter anderem Maßnahmen für eine zielgerichtete Auswahl der Studienplatzbewerber, zur Förderung der Praxisnähe und zur Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium vor. Wir haben uns in diesen Prozess aktiv und konstruktiv eingebracht – Regierung und Länder planen jedoch Neuregelungen, gegen die wir nach wie vor lautstark angehen: Stichworte sind Landarztquote, ambulanter PJ-Pflichtabschnitt und M3-Pflichtprüfung Allgemeinmedizin. – Ein Überblick über die Entwicklung und ein Ausblick auf anstehende Aufgaben.
Der Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode 2013-2017 sieht vor, dass Bund und Länder einen Masterplan Medizinstudium 2020 für eine zielgerichtete Auswahl der Studienplatzbewerber, zur Förderung der Praxisnähe und zur Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium entwickeln. Diesen politischen Auftrag nehmen das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit Vertretern der Gesundheits- und Kultusministerkonferenz sowie Vertretern der Koalitionsfraktionen des Bundestages im Mai 2015 in Angriff und gründen eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe.
Nach Bekanntgabe der Arbeit am MM2020 führt der Hartmannbund Ende 2014 unter den studentischen Mitgliedern die Umfrage „Medizinstudium 2020 Plus“ durch. Ziel war es herauszufinden, wie die Medizinstudierenden ihr aktuelles Studium einschätzen und was sie sich für die Zukunft des Medizinstudiums vorstellen können. Am Ende hatten mehr als 7.500 Medizinstudierende teilgenommen – ein tolles Ergebnis, das dem Hartmannbund gezeigt hat, dass die Studierenden bei der Gestaltung ihrer ärztlichen Ausbildung mitreden möchten.
Mit dem „Rückenwind“ aus der Umfrage lehnt der Hartmannbund auch weiterhin die Forderung nach einem PJ-Pflichtabschnitt in der Allgemeinmedizin ab. Favorit ist ein Modell aus zwei Pflichtquartalen und zwei Wahlquartalen (das wollen 75 Prozent der Befragten), damit Studierende die Chance haben, mehrere Fächer vertiefend kennenzulernen.
Ebenso lehnen die Medizinstudierenden die Einführung einer verpflichtenden wissenschaftlichen Forschungsarbeit ab. Die wissenschaftliche Kompetenz muss vielmehr durch adäquate Lehrveranstaltungen gestärkt werden. Dies gilt im Übrigen auch für den Praxisbezug, der aus HB-Sicht sehr viel früher im Studium und intensiver einsetzen muss (weitere detaillierte Informationen zu den Ergebnissen).
Mit den Umfrageergebnissen bringt sich der Hartmannbund unmittelbar in den Reformprozess ein. So lädt das BMG den Ausschuss Medizinstudierende im Hartmannbund nach Bonn ein, um die Ergebnisse zu präsentieren. In einem ausführlichen Fachgespräch können die Wünsche und Ideen der angehenden Ärztegeneration dargelegt werden (Bild links).
Im Juli 2015 bittet die Bund-Länder-Arbeitsgruppe den Hartmannbund, Stellung zu den Themenschwerpunkten zielgerichtete Auswahl der Studienplatzbewerber, Förderung der Praxisnähe und Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium zu nehmen. Dieser Bitte folgt der Hartmannbund in einem sehr umfangreichen Positionspapier und nimmt auch hinsichtlich des PJ Stellung. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Umfrage „Medizinstudium 2020 Plus“ werden nicht nur die Aufteilung des PJ in Quartale (zwei Pflichtquartale Innere und Chirurgie, zwei Wahlquartale) vorgeschlagen, sondern außerdem die Schaffung einer Möglichkeit für alle PJ-Studierenden, ein Wahlquartal in der ambulanten Versorgung – bei Haus- oder Fachärzten – absolvieren zu können. Des Weiteren positioniert sich der Hartmannbund klar gegen eine „Landarztquote“.
Positionspapier
Am 3. und 4. November 2015 nimmt der Hartmannbund an den Expertengesprächen zu den drei Themenblöcken des MM2020 teil. Auch hier spielte das Voting der über 7.500 Teilnehmer der Umfrage „Medizinstudium 2020 Plus“ eine wichtige Rolle. Die HB-Vertreter formulieren erneut ihre Kernforderungen: keine Landarztquote, kein PJ-Pflichtabschnitt in der Allgemeinmedizin, Aufteilung des PJ in Quartale, Möglichkeit für PJ-Wahlquartal in der ambulanten Versorgung.
Februar 2016 – Offene Briefe von Hartmannbund und bvmd an die Politik
Im Februar 2016 weisen die Medizinstudierenden des Hartmannbundes gemeinsam mit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) in zwei offenen Briefen an die an der Entstehung des MM2020 beteiligten politischen Akteure auf die wichtigsten Positionen und Argumente der Studierenden hin, in der Hoffnung, dass diese im MM2020 noch Berücksichtigung finden.
Offener Brief der Medizinstudierenden im Hartmannbund und der bvmd
Appell der Studierenden an die Politik: Missstände im Praktischen Jahr
Gemeinsam mit der bvmd organisieren die Medizinstudierenden im Hartmannbund die Aktion „#Richtig gute Ärzte werden“. Viele Tausend Studierende folgen dem Aufruf und nehmen am 18. Mai am bundesweiten Aktionstag teil. Die Studierenden gehen auf die Straße, diskutieren mit Professoren und Politikern, organisieren Flashmops und Infostände. Insgesamt beteiligen sich über 20 Medizinische Fakultäten.
Pressemeldung
Weitere Informationen
8.314 Medizinstudierende nehmen an der Blitzumfrage des Hartmannbundes zum MM2020 teil. Vor dem Hintergrund der aktuellen Beschlüsse der Gesundheits- und Kultusminister der Länder, unter anderem ein PJ-Pflichtquartal in der ambulanten Versorgung, eine verpflichtende M3-Prüfung in der Allgemeinmedizin und eine optionale Landarztquote einzuführen, waren drei Fragen zu beantworten. Knapp 80 Prozent der Teilnehmer sind gegen ein PJ-Pflichtquartal in der ambulanten Versorgung sowie gegen eine M3-Prüfung in der Allgemeinmedizin, etwa 70 Prozent sagen „Nein“ zu einer optionalen Landarztquote.
Ergebnisse der Blitzumfrage
Der Ausschuss Medizinstudierende hat sich mit Briefen an zahlreiche Bundestagsabgeordnete gewandt. Darin fordern sie die Abgeordneten auf, bei der Umgestaltung des Medizinstudiums mit Bedacht vorzugehen. Sie werben für eine zielgerichtete Auswahl der Studienplatzbewerber und für eine stärkere Einbeziehung der ambulanten Versorgung bereits während des Studiums und auch im Praktischen Jahr (PJ), wehren sich jedoch gegen weitere PJ-Pflichtabschnitte. Gleichzeitig warnen Sie in den Briefen vor einer kurzsichtigen Umsetzung von Maßnahmen wie der Landarztquote, ohne die Bedürfnisse der Medizinstudierenden sowie die Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit solcher Maßnahmen durchdacht zu haben. Adressaten waren vor allem Bundestagsabgeordnete an den Universitätsstandorten sowie die Mitglieder der Bundestagsausschüsse Gesundheit sowie Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.
In einer gemeinsamen Stellungnahme appellieren die jungen Ärzte und Medizinstudierenden des Hartmannbundes heute gemeinsam mit dem Bündnis für Junge Ärzte, der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland und dem Marburger Bund an die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern, praxistaugliche und an den Ausbildungserfordernissen orientierte Maßnahmen zu beschließen. Die vier Verbände sehen mit großer Sorge, dass das Medizinstudium einseitig an symbol- und versorgungspolitischen Erwägungen ausgerichtet werden soll, die dem Wesen einer wissenschaftlich begründeten universitären Ausbildung widersprechen und die Überregulierung des Studiums verschärfen. Der aktuelle Prozess müsse genutzt werden, um Studieninhalte und Lehrbedingungen von Grund auf zu modernisieren und qualitativ auszubauen.
Plötzlich ging es ganz schnell: Nachdem die KMK noch Mitte März 2017 eine Abstimmung über den Masterplan verschoben hatte – im Kern ging es um die Forderung der Bundesländer nach zusätzlichen finanziellen Mitteln zur Umsetzung der Pläne – waren sich Ende März 2017 alle einig. Der Masterplan Medizinstudium wurde im Umlaufverfahten beschlossen und am 31. März 2017 der Presse vorgestellt. Es kommt ein ambulantes Pflichtquartal im Praktischen Jahr sowie eine Prüfung des Fachs Allgemeinmedizin im Staatsexamen. Die sogenannte Landarztquote soll den Ländern hingegen freigestellt werden. Damit erhalten sie die Möglichkeit, Kontingente von Studienplätzen für Bewerber vorzuhalten, die sich verpflichten, nach ihrem Studium und ihrer Facharztweiterbildung in der Region als Hausarzt zu arbeiten. Des Weiteren soll die Zulassung zum Medizinstudium „verstärkt auf die heutigen und zukünftigen Anforderungen an ärztliche Tätigkeiten ausgerichtet werden“. Konkret sollen soziale und kommunikative Kompetenzen sowie eine besondere Motivation für das Medizinstudium künftig stärker gewichtet werden.
Masterplan Medizinstudium 2020
Mit der Verabschiedung des Masterplans ist zugleich eine Expertenkommission eingesetzt worden, die die Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen auf die Studienplatzsituation und die Kosten untersucht und innerhalb eines Jahres einen Vorschlag zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte erarbeiten soll. Ob bis dahin die nach wie vor ungeklärte Finanzierungsfrage vom Tisch ist, wird sich zeigen. – Eines zeigt sich aber jetzt schon deutlich: Zwar ist die Landarztquote nicht obligater Bestandteil der Pläne, die Option wollen aber (Stand August 2017) einige Länder auf jeden Fall nutzen.