Umfrage unter den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung (2014/15)
Die Arbeitsbedingungen an den Kliniken geben nach wie vor Anlass zur Klage. Zugleich ist die sogenannte work-life-balance für die junge Generationein – die ihre berufliche Perspektive gleichwohl bevorzugt in der Anstellung und nicht in der Niederlassung sieht – ein wesentliches Kriterium bei der Ausrichtung ihrer späteren ärztlichen Tätigkeit.
Die Ergebnisse der zum Jahreswechsel 2014/15 durchgeführten Umfrage unter den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung (Detailergebnisse der Online-Umfrage) zeigten im Vergleich zu der Erhebung von 2012 neben einigen negativen Tendenzen nur wenige positive Entwicklungen – und auch Veränderungen in der Erwartungshaltung der jungen Mediziner. Im Kern aber bestätigten sich die früheren Erkenntnisse: Die Arbeitsbedingungen an den Kliniken geben nach wie vor zu einem großen Prozentsatz Anlass zur Klage, und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein wesentliches Bedürfnis der jungen Generation, die ihre berufliche Perspektive bevorzugt in der Anstellung und nicht in der Niederlassung sieht.
Ein zentrales Thema bei der Frage nach den Arbeitsbedingungen ist die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Besonders alarmierend: 70 Prozent der schwangeren Ärztinnen können ihre Pausenzeiten nicht einhalten. „Die möglichen Folgen – Arbeitsüberlastung, Gesundheitsrisiken für Ärzte und Patienten, keine bzw. zu wenig Zeit für familiäre Verpflichtungen, Abwanderung aus der kurativen Tätigkeit – zwingen geradezu zu einer besseren Kontrolle der Arbeitszeiten“, mahnt Dr. Kathrin Krome, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes des Hartmannbundes und Vorsitzende des Arbeitskreises Assistenzärzte.
Allerdings haben auch 45 Prozent der Befragten – also nahezu die Hälfte – eine Opt-Out-Erklärung unterschrieben und verzichten damit auf den Freizeitausgleich. Zwar erhalten sie in der Regel eine Vergütung, allerdings ist die Arbeitsbelastung mit bis zu 58 Stunden Wochenarbeitszeit oder mehr unverhältnismäßig hoch.
Hier zeigt sich eine für junge Ärzte typische Ambivalenz, deren Ursachen vielfältig sein können. Wer nach einem Medizinstudium mit Ende 20 frisch in den Beruf startet, hat möglicherweise ganz unterschiedlichen Nachholbedarf: finanziell, beruflich oder der Wunsch überwiegt, eine Familie gründen. Je nachdem, wie die Situation individuell gelagert ist, fällt auch die Bereitschaft aus, im Beruf mehr oder weniger in die Vollen zu gehen.
Klar ist allerdings: Die Anstellung wird nach wie vor bevorzugt. Eine Niederlassung fassen nur etwa ein Viertel der Befragten ins Auge. Veränderungen gab es jedoch bei der Art der angestrebten Anstellung: Planten 2012 noch 21 Prozent eine Anstellung in der Niederlassung, sind es zwei Jahre später schon 27 Prozent. Tendenziell schlecht sieht es im Umkehrschluss für die Kliniken aus, die nun nur noch 41 Prozent mit ihrer beruflichen Perspektive in Verbindung bringen wollen. 2012 waren es noch 46 Prozent.
Und 60 Prozent wollen eine Familie gründen, das sind über zehn Prozent mehr als noch 2012 – und die Zahl der Unentschlossenen ist von 17 Prozent auf knapp 12 Prozent ebenfalls deutlich gesunken. Die Relevanz einer guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf steigt – ein zentrales berufspolitisches Thema, mit dem der Hartmannbund schon seit langem entscheidende Akzente setzt.
Was heißt das bei etwa 2.000 unbesetzten Arztstellen für die Arbeitgeber? In erster Linie, flexibel zu sein und mit intelligenten Arbeitszeitmodellen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse zu reagieren, ohne sie als Contra zur ärztlichen Berufung zu interpretieren.
Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, geregelte Arbeitszeiten und Bürokratieabbau sind dann auch die Top Drei der Verbesserungswünsche in Sachen Arbeitsbedingungen; Bürokratieabbau nicht zuletzt deshalb, um das tun zu können, wofür man eine harte Ausbildung hinter und erst recht noch vor sich hat: die ärztliche Tätigkeit und ausreichend Zeit für eine angemessene Patientenversorgung.
Ebenfalls unverändert niedrig im Vergleich zur Umfrage von 2012 ist die Quote derjenigen geblieben, die zu Beginn ihrer Weiterbildung ein strukturiertes Weiterbildungskonzept erhalten haben. Mit lediglich 20 Prozent sind die Zahlen weiterhin schlecht. Angesichts des mit zwei Dritteln sehr hohen Anteils von Teilnehmern, die sich zum Zeitpunkt der Umfrage in den ersten beiden Weiterbildungsjahren befanden, wiegt das diesjährige Ergebnis jedoch noch schwerer als vor zwei Jahren, als nur die Hälfte der Befragten noch am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stand.
Über 40 Prozent berichten auch darüber, dass die Weiterbildung nicht im Rahmen der Kernarbeitszeit durchgeführt wird. Eine Vielzahl der Weiterbildungsassistenten ist also gezwungen, ausufernde Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen, nur um die Weiterbildungsinhalte ableisten zu können. Womöglich ist dies auch einer der Gründe für die hohe „Bereitschaft“, Opt-out-Regelungen zuzustimmen.
Ernüchternd auch die Gesamteinschätzung der Qualität der Weiterbildung: Fast die Hälfte hält sie für durchschnittlich, und nur ein knappes Drittel für gut (28 Prozent) oder sehr gut (drei Prozent). 20 Prozent hingegen stufen sie als schlecht ein, drei Prozent sogar als sehr schlecht. Das macht bei einer Bewertungsskala von 1 für sehr gut bis 5 für sehr schlecht im Schnitt nur eine 2,9. Dieser Durchschnittswert ist schlechter als die Werte der Evaluationen der Ärztekammern, die bei einer Skala von 1 bis 6 in der Regel um die 2,5 liegen.
Die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte, die eine Verlagerung ihrer Tätigkeit ins Ausland grundsätzlich nicht ins Auge fasst, ist mit aktuell 85 Prozent gegenüber 75 Prozent in 2012 deutlich gestiegen. Ob dies darauf zurückzuführen ist, dass die Arbeitsbedingung hierzulande im Vergleich zum Ausland dann doch nicht als völlig schlecht empfunden werden dürften, oder die Heimatverbundenheit deutlich gestiegen ist, oder aber der leergefegte deutsche Arbeitsmarkt und die Anstellungsmöglichkeiten im ambulanten Sektor eine verlockende Kombination darstellen – das bedürfte einer tiefergehenden Analyse.
>>> Bericht im Deutschen Ärzteblatt (6/2015)
>>> Bericht in der Ärzte Zeitung (9. Februar 2015, Online-Ausgabe)